Auf der Auftaktveranstaltung zu „Mikrokosmos Amateurfußball“ im Frühjar 2018 an der Hochschule Fresenius in München wurde deutlich, warum die etlichen Vereine an der Fußballbasis als Orte der kulturellen und ethnischen Vielfalt, der Integration, des Austauschs und der Demokratiebildung fungieren.
Dass der SV Kickers Marbach, ein in den 1970er und 80er Jahren in Friedrich Schillers Geburtsstadt gemeldeter Fußballverein, einmal den Ausgangspunkt für eine Fußball-Tagung im Jahr 2018 in München bilden würde, dürften die Vereinsverantwortlichen damals wohl nicht geahnt haben. Tim Frohwein, Initiator der Veranstaltung „Mikrokosmos Amateurfußball“, die am 20.02.2018 in der bayerischen Landeshauptstadt stattfand, stellte den schwäbischen Verein in seinem Einführungsvortrag in den Mittelpunkt; man könne an seinem Beispiel „dem Wesen des Amateurfußballs auf den Grund gehen“, so Frohwein. Die Kurzgeschichte des SV Kickers geht so: 1972 gegründet war der Verein 13 Spielzeiten in Folge in der C-Klasse aktiv – und schloss dabei jede dieser Spielzeiten als Tabellenletzter ab. Tiefpunkt waren die Jahre 1975 bis 1980, in denen kein einziger Sieg gelang und lediglich zwei Unentschieden erreicht werden konnten. Als sich der SV Kickers 1988 wieder vom Ligabetrieb abmeldete, hatte man in der 16-jährigen C-Klassen-Zugehörigkeit bemerkenswerte 2520 Gegentore kassiert – bei 260 geschossenen!
„Das Beispiel zeigt doch, dass es im Amateurfußball um mehr geht, als nur um sportlichen Erfolg!“, folgerte Frohwein. Trotz der ständigen Niederlagen hätten sich die Marbacher Spieler schließlich Woche für Woche zum Fußballplatz begeben, vermutlich, weil sie Spaß an der Bewegung gehabt hätten – und weil sie die soziale Interaktion mit ihren Teamkameraden und das gesellige Drumherum zu schätzen gewusst hätten, so Frohweins These. Mit Hilfe von Studiendaten konnte er seine Aussage untermauern: Bei einer Umfrage im Jahr 2016 unter rund 1000 Mitgliedern von bayerischen Amateurfußballvereinen gaben über 60 Prozent der Teilnehmer an, dass ein Amateurfußballverein dann erfolgreich sei, wenn er über einen guten sozialen Zusammenhalt verfüge – sportlicher Erfolg spielte für die Befragten dagegen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. „Je tiefer man in das Ligasystem vordringt, desto eher sehen die Befragten den sozialen Zusammenhalt als Erfolgskriterium – und desto unwichtiger wird sportlicher Erfolg“, so Frohwein.
Auch in den nachfolgenden Vorträgen des Tages ging es weniger um den sportlichen Aspekt des Amateurfußballs als um den sozialen: Die Referenten stellten aus Verbands- und Vereinsperspektive dar, wie wichtig Amateurfußballvereine als Orte der Begegnung und des Austauschs sind. Der Fußball ist schließlich die mit Abstand mitgliederstärkste Amateursportart in Deutschland und bei Menschen ganz unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft beliebt. So bringen beispielsweise auch viele Flüchtlinge eine Vorliebe für den Ballsport mit. Beim Ausüben ihres Lieblingssports in den Vereinen kommen sie mit den Funktionsprinzipien, Normen und Werten der Gesellschaft in Berührung.
Die Bedeutung des Fußballs für die Integrationsarbeit stellte auch DFB-Integrationsbotschafter Jimmy Hartwig auf der Veranstaltung nochmal heraus – und appellierte an das Publikum: „Ich hoffe, ich kann den Menschen vermitteln, wie wichtig und bereichernd es sein kann, auf Fremde zuzugehen. Gerade im Umgang mit Flüchtlingen eröffnen sich oft neue Perspektiven auf das Leben. Wozu denn Barrieren aufbauen? Die Energie, die man so vergeudet, sollte man besser in ein positives Engagement stecken.“
Auf der Veranstaltung Mikrokosmos Amateurfußball wurde ein ungewöhnliches Bild des Amateurfußballs gezeichnet – und es wurde deutlich: Amateurfußballvereine leisten als Orte der Begegnung und Integration einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag und haben es verdient, in dieser Hinsicht stärker in den Fokus von Wissenschaft und Politik zu rücken.
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